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Die Abstände der Kreise auf dem Bildschirm des Radargerätes sind auf eine 1/4 Seemeile eingestellt. Plötzlich sehe ich ein rötlich markiertes Objekt auftauchen, größer als die üblichen Signale, die meist auf Wellen, hier 15 sm vor der marokkanischen Küste entfernt hinweisen. Es ist 2:10 Uhr Ortszeit, vor 2 Stunden hat Joya das Verkehrstrennungsgebiet zwischen Gibraltar und Tanger verlassen und ist mit achterlichen Winden um das nördliche Kap Marokkos mit weit geöffneter Genua gerauscht. Ein letzter Blick auf den Radarschirm und dann wechsele ich auf die Kartenansicht des Plotters und erkenne, dass es sich bei dem Objekt auf dem Radar um ein Schiff handelt. Ich klicke auf das Schiffssymbol und das AIS ( Automatic Identification System) ermöglicht einen detaillierten Zugriff auf wichtige Informationen rund um das Schiff, dass 400 Meter vor Joya unseren Weg Richtung Festland kreuzt. Ein Blick aus dem Cockpit bestätigt mir, was ich mit technischer Hilfe bereits viel früher auf den Monitoren erfahren habe. In der Tiefe der nächtlichen Dunkelheit schiebt sich ein 200m langer Frachter mit 2 weißen TopLichtern und dem roten Licht an Backbord an Joyas Bug vorbei und ist bald wie ein vorbeirauschender Komet wieder in der Dunkelheit verschwunden. Ich stehe am Steuerrad und genieße den Sternenhimmel, beobachte den Oriongürtel und bewundere das irisierende Blinken von Sirius. Jetzt geht der Mond sichelförmig auf und ich kann voraus eine tiefschwarze Wand erkennen, die schnell näher kommt und dann Joya und mich verschluckt. Wir sind im Nebel verschwunden und ich atme feuchtwarme Meeresluft. Für einen Augenblick erwarte ich das Auftauchen der „Black Pearl“. Ein surreales Gefühl, so im Blindflug an der marokkanischen Küste entlang zusegeln, absolute Stille und Dunkelheit, kein Licht der Himmelskörper. Dann bin ich auch schon wieder am Navigationstisch und betrachte den Radarbildschirm, zoome tiefer hinein, auf den nächsten Seemeilen ist nichts zu sehen. Plötzlich löst sich der Nebel auf und erleichtert freue ich mich das vertraute Licht der Sterne wieder zu sehen. In 2 bis 3 Stunden werde ich Christoph wecken und mich dann selbst unter die Decken kuscheln. Bis dahin genieße ich die Schönheit dieses außergewöhnlichen, einsamen und freien Augenblicks, irgendwo hier draußen auf dem weiten Meer.